Mythen im Gleitschirmsport – Ein Variometer braucht man erst als fortgeschrittener Pilot
OASE Flugschule klärt auf – 10 Mythen im Gleitschirmsport
Mythen sind Geschichten und Überlieferungen von alten, heute nicht mehr gültigen Gegebenheiten. Mythen können, entgegen einer Mär, auch früher mal Stand des Wissens und deshalb wahr gewesen sein. Heute gelten sie aber nicht mehr, sind falsch und werden auch dadurch nicht wahrer in dem sie öfter erzählt werden. Wir möchten hier in Abständen die zehn im Gleitschirmsport verbreitetsten Mythen beleuchten.
Mythos 6: Ein Variometer braucht man erst als fortgeschrittener Pilot.
Immer wieder hört man das ein Variometer oder Kombimessgerät mit Höhenmesser und GPS für Anfänger nichts bringt. Ein Rocky soll erst mal nur so mit dem Popometer das Thermikfliegen nach Gefühl lernen.
Unsere Praxiserfahrung sagt was anderes dazu.
Ab welchem Pilotenlevel ist ein Variometer sinnvoll?
Hier kann man klar sagen: Bereits bei den ersten Thermikflügen, evtl. sogar schon während der letzten Phase der Höhenflugschulung.
Der Grund ist folgender: Der lernende Thermikpilot tut sich erheblich leichter, bestehende Thermikbereiche zu lokalisieren. Es gelingt ihm besser im Kern der Aufwindzone drin zu bleiben, wenn er die akustische Hilfe des Messgerätes hat. Sein Popometer*, seine Beobachtungsgabe für den Luftraum und die anderen Sinne sind noch zu wenig ausgeprägt um die Aufwinde ohne VARIO effektiv nutzen zu können. Als Popometer * bezeichnet man die Fähigkeit Beschleunigungskräfte über Körpersensoren wahrzunehmen und entsprechend den Aufwindverhältnissen zuzuordnen. Dies geschieht über das Gurtzeug zum Hintern und über die Bremsleinen zu den Händen, sowie generell über den Gleichgewichtssinn im Innenohr. Die Sinne müssen sich aber erst ausprägen und bewusst verfeinert werden. In der Regel ist hier mehrjähriges regelmäßiges fliegen angesagt bis alle Sinne von 2D auf 3D hochtrainiert sind.
Gerade das genaue Zentrieren der Aufsteigenden Luftmassen jedoch macht den Flug ruhiger und sicherer. Denn fliegt man ständig etwas planlos hinein und wieder raus aus dem „Bart“, befindet man sich folglich zu oft im Randbereich der Thermikzone. Und genau hier am Rand ist der unangenehme Bereich von eng aneinander liegend steigenden- und sinkenden Luftmassen. Man bezeichnet dies auch als vertikale Windscherungen. Das Fluggefühl geht in Richtung von Rodeo reiten.
Im Kern des Thermikschlauches dagegen, wenn man gut zentriert, kann auch stärkeres Steigen relative ruhig sein. Nebenbei bemerkt sind die Hauptfehler bei der Zentriertechnik zu frühes enges einkreisen und zu spätes zuziehen des Thermikkreises. Zu spät umdrehen, sprich hinten rausfallen, ist besonders bei windversetztem Aufwinden sehr ungünstig. Ein Gerät mit gut moduliertem Ton ist die Voraussetzung hier gut und effektiv zu fliegen. Über die Perfektionierung des Thermikfluges möchte ich jedoch an anderer Stelle mal näher eingehen.
Folglich ist ein Variometer insbesondere für den Juniorpiloten mit Ambitionen auf längere Flüge eine wichtige Hilfe und bringt definitiv schnellere Erfolgserlebnisse und ein Plus an Sicherheit beim Gleitschirmfliegen in thermischen Luftmassen.
Welcher Gerätetyp mit welcher Ausstattung ist für Einsteiger sinnvoll?
Für Einsteiger ist eigentlich nahezu jedes Vario gut nutzbar. Es reicht das kleinste, rein akustische, Minivariometer, oder auch was gebrauchtes, vorausgesetzt der Ton ist gut moduliert. (mein Favorit Syride SYS ONE oder Compass BEEPER)
– Gut moduliert bedeutet das bei stärker werdenden Steigwerten eine entsprechend kontinuierlich schneller werdende harmonische Tonfolge erklingt, die Tonfolge aber nicht hektisch ist oder gar kreischt. Außerdem wird bei einigen Geräten zusätzlich die Tonhöhe in Stufen geändert bei bestimmten Steigwerten.
Die normalen Standartgeräte haben auch optischen Basis-Informationen. Auf den Displays sind in der Regel der momentane- und der über einige Sekunden integrierte Steigwert, sowie Höhenmesser, Uhrzeit, Flugdauer, Temperatur in den Anzeigefeldern abzulesen. Die Spitzenwerte sind zudem in Speichern abrufbar. (z.B. gebrauchte Bräuniger u. Flytec Geräte , Syride ALTI)
Die besseren Geräte mit GPS haben dann zusätzlich die Geschwindigkeit über Grund, einen Gleitzahlrechner und Kompassfunktionen sowie Koordinaten zur Standortbestimmung verfügbar. ( z.B. Syride SYS GPS, Ascent H2)
Die Oberklasse der Kombimessgeräte hat dann zusätzlich noch Funktionen zur Luftraumgliederung und Vermeidung von Luftraumverletzungen, sowie Routenplanung, Wettbewerbszylinder, Airspeed, Totalenergiekompensation, G-Force Messer, Gebietsdatenbanken ect.. (mein pers. Favorit Skytraxx 2.1. u. Skytraxx 3.0)
Anders als bei der Auswahl des Gleitschirmmodels, kann man auch als Anfänger frei wählen. Also auch mit einem high end-Gerät fliegen, wenn man technisch diesbezüglich interessiert ist oder mal seine Flüge in 3D in google Earth reinprojizieren möchte. Daraus entsteht keine Gefahr, auch wenn man die erweiterten XC- Funktionen noch kaum nutzt.
Einzige Bedingung für Flugschüler und Anfänger ist, sich beim Flug und der Landeeinteilung nicht optisch ablenken zu lassen. Die Beobachtung des Luftraumes, und die Peilung der Winkel beim Landen dürfen nicht vernachlässigt werden.
Als besonderen Service möchten wir künftig in der letzten Phase der Höhenflugschulung neuerdings eine ausreichende Zahl an Leihgeräten (mit rein akustischen Funktionen) für die Flugschüler zur Verfügung stellen und begleitend dessen Funktionsweise im Theorieunterricht noch genauer mit einzuflechten.
OASE FS. Peter Geg Febr. 2020