Für Euch getestet und geflogen: Gin Gliders Bonanza 2
Der Gin Gliders Bonanza 2 ist ein High-End C-Gleitschirm, der die bisherigen Möglichkeiten der Gleitschirmtechnik wieder spürbar nach oben verschiebt. Damit ist nicht nur die absolute Leistung, sondern das Verhältnis aus Leistung (Gleit- und Steigleistung) und die Anforderungen an den Piloten.
Ich habe den neuen Schirm in der Größe S getestet und möchte Euch hier meine Einschätzungen der wesentlichen Eigenschaften des neuen Streckenflügels von Gin mitteilen:
Material und Verarbeitung
Der Bonanza 2 ist in moderner Leichtbauweise mit einem Materialmix aus hochwertigem und robusten 38 Gramm wasserabweisendem Porcher Tuch (an der Eintrittskante) und 32 Gramm schweren Poriger Tuch (natürlich auch wasserabweisend) gefertigt. Die gekreuzten Nasenversteifungen sind aus unterschiedlich starken und strammen Rigidfoils gefertigt. Sie geben die wechselnden Radien der markanten Sharknose vor. Zusätzlich gibt es einige C-Wires. Die Leinen bestehen aus unummantelten Edelried Kevlar, sind sehr sauber gespleißt und mit Loopschonern ausgeführt. Die Tragegurte sind semileicht, modern und aus Kevlarband inklusive C/B -Steuerungs-System. Die Größe S wiegt mit den normalen Gurten knapp über 5 Kilo. Die gesamte Verarbeitung kann durchaus als sehr hochwertig bezeichnet werden.
So ein Gleitschirm sollte ordentlich in einen in einen Zellenpacksack gefaltet und gelagert werden werden. Diese Packsäcke erhalten die akkurat stehende Eintrittskante und bewahren vor Schmutz.
Start
Der Bonanza 2 bietet bei Schwachwind ein zuverlässiges Füll- und Abhebeverhalten – vom Gefühl her kompakt und nicht zum Ausbrechen neigend. Aufgrund der Spannweite und Streckung sollte beim Piloten natürlich das Gespür für symetrisches Aufziehen vorhanden sein. Auch bei starkem Wind ist der Flügel problemlos zu handeln. Die zügig steigende Kappe läßt sich deutlich über die Bremsen oder die Tragegurte korrigieren. Das Fenster zwischen Strömungsabriss und Überschießen der Kappe ist Gin-typisch reichlich und verlangt nicht an mehr Feingefühl, über das jeder Kategorie C-Pilot sowieso verfügen sollte.
Der Abhebeweg ist normal bis kurz. Die Strömung liegt schnell an, so daß der Auftrieb früh voll wirkt und kein signifikantes Tauchen im Startverlauf zu beobachten ist. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Pilot nich überladen ist.
Geschwindigkeit und Gleiten
Der Bonanza 2 verhält sich im Trimmflug spurstabil und ist mit einem Geschwindigkeitsbereich um die 39 Stundenkilometer recht flott. Vollgas schafft man Rolle auf Rolle circa 14 Stundenkilometer Zuwachs und erreicht bei 90 Kilo Startgewicht eine Geschwindigkeit von etwa 53 km/h. Bei der Größe S könnte man mit einem Startgewicht von 94 Kilo wohl noch etwas mehr Topspeed und die beste Speed-Gleitleistung bei Gegenwind erwarten.
Erste Vergleichstests zeigten, dass der Bonanza 2 im Spitzensegment der modernsten C-Geräte (z.B. Alpina 3 ) mindestens mithält. Der Beschleunigungsweg ist so, dass man mit Cocoon-Gurtzeugen (in meinem Falle das Woody Valley GTO Light in der Größe M) ohne Kunstgriffe den vollen Weg nutzen kann. Zusätzlich ist die Flugruhe im Vollgasmodus außerordentlich gut, sowohl was die Klappstabilität als auch die hervorragende Rolldämpfung anbelangt. Man kann beherzt ins Gas treten. Der Schirm zieht dann spurstabil nach vorne und scheint nicht ausgereizt. So kann dann die hohe Maximalgeschwindigkeit in realen XC-Bedingungen viel genutzt werden. Im Schnellflug kann man ganz nach moderner Wettbewerbs-Flugweise mittels des C/B Steuer-Systems die Richtung korrigieren und in Turbulenzen die Kappe stabilisieren indem man den Anstellwinkel zackig vergrößert.
Thermikflugverhalten
Das Thermikflugverhalten ist in der Zusammenfassung perfekt ausgewogen und kompakt. Dabei erlangt der Pilot nach wenigen Flugminuten das Vertrauen in die direkte Steuerung mit der sehr guter Strömungsabriss-Resistenz. Die Steuerung ist allgemein sehr präzise und gibt Rückmeldung wo und wie stark gerade die Thermik an der Kappe zieht. Die Flügelenden können und sollten dabei etwas an der Bremse gehalten werden. Der Bonanza ist kein Schirm, der am Außenflügel voll offen geflogen werden muss, damit er ums Eck geht.
Insbesondere das enge Kreisen am Hang funktioniert außerordentlich gut, weil der Bonanza 2, wie fast alle Gin Gleitschirme den ganzen Kreis sauber durchzieht und seine kinetische Energie behält. Die Kurvenradien und die Schräglage sind variabel über beide Bremsen und Gewichtsverlagerung von flach-eng bis steil-eng stufenlos regulierbar. Dabei ist der Bonanza 2 noch feiner als der Explorer koordinierbar. Dazu kommt auch hier das hervorragende Umsetzen von Überfahrt in Höhe. Das präzise Steuerverhalten und die ausgezeichnete Schirmdynamik ermöglicht versierten Piloten mit einem ausgeprägten Gespür für Kurvenenergie mit der Thermik zu spielen und sich regelrecht in zerrissenen Bedingungen „hochzuhangeln“.
Ein Überlegenheitsgefühl gegenüber Kollegen im gleichen Bart darf sich einstellen, dies sowohl bei hauchdünner, als auch stärkerer Thermik. Während mehrerer Stunden Thermikflug hatte ich richtig Spaß und den Eindruck, dass der Flügel wesentlich kompakter in der Luft liegt als es seine Streckung von 6,44 erwarten lässt.
Basismanöver und Extremflugverhalten
Der Bonanza 2 hat in 6 Größen auf Anhieb die Zulassungstests mit Kategorie C ohne Faltleinen bestanden. Dabei wurden die Flugmanöver auch mit Liegegurt geflogen. Dabei zeigten alle Größen von XXS bis XL nahezu identische Reaktionen. Dies sagt schon viel über die solide Konstruktion und aerodynamische Qualität des Bonanza 2 aus. Wie bei fast jedem Gleitschirm ist die härteste Reaktion (die C-Bewertung) bei großen beschleunigten Klappern zu erwarten. Bei meinen eigenen Flugtests mit provozierten mittleren Klappern um 50 % konnte ich keine Besonderheiten erkennen. Der Gleitschirm zeigte ein Verhalten wie ein High-End B Schirm.
Der Bonanza zeigt sich bei allen Manövern, die mit Strömungsabriss, Sackflug und Langsamflug zu tun haben, ausserordentlich gutmütig für die Schirmklasse C. Dies bringt viel Sicherheitsreserven für zu grob agierende Piloten beim Toplanden oder beim Stützen von großen Einklappern.
Die Steilspirale lässt sich schön dosieren und neigt bei Sinkraten unter 14 m/s nicht zum ausgeprägten Nachdrehen. Dennoch wird es auch bei diesem Schirm möglich sein durch Unerfahrenheit oder Übermut gefühllose, unkontrollierte Spiralen zu kreieren und dabei seine Gesundheit zu riskieren Dies ist aber bei absolut jedem anderen Gleitschirm auch der Fall.
Big Ears lassen sich einfach mit leichter Vorbeschleunigung einleiten; die eingeklappten Flügelenden sind dabei relativ ruhig. Das Öffnen verläuft eher zäh und bedarf meist eines Steuerleinenzuges.
Der B-Stall ist ohne Besonderheiten nach Standardlehrmethode durchführbar und zeigt keine Sackflugtendenz beim Ausleiten.
Fazit
TOP! Sowohl in Sachen Steuerpräzision und Flugkomfort als auch bezüglich Steig- und Gleitleistung und nicht zuletzt wegen der perfekten Outline und dem relativ einfachen Startverhalten ist das Produkt „ Stand-des-derzeit-Machbaren“ im Gleitschirmbau. Den neuen Gin Bonanza 2 sollte jeder ausprobieren, der einen neuen XC-Schirm sucht, der auch etwas über 5 kg wiegen darf. Mr. Gin und Team haben es wieder einmal hingebracht das Leistungs/Komfort – Verhältnis der jeweiligen Schirmkategorie in die allerhöchste Region zu schieben.
Was mit dem Flügel möglich ist, hat der Toppilot Michael Sigel eindrucksvoll mit dem Sieg eines offenen Wettbewerbes in Korea gezeigt!
Alles in allem ist der Bonanza 2 ein Schirm, der mir persönlich sehr liegt und Lust auf die kommende Thermiksaison macht! Übrigens, die Größen XS, S und M haben wir als Demogeräte bei uns in der OASE Flugschule.
Peter Geg 06.01.19